Sonntag, 30. November 2014

Wie alles nach zwei Monaten aussieht

Was denkst Du über Kolumbien? Was denke ich über Kolumbien und wie ist es nun wirklich?
Regelmäßig erreichen Schreckensmeldungen deutsche Nachrichtensender, Morde, riesige Drogenlandungen verschwinden im Hamburger Hafen, direkt aus Kolumbien importiert, und immer wieder die schlechte Nachricht, wenn die Guerilla, die kolumbianische Drogenmafia, wieder an Stärke gewinnt.
Im Gegensatz dazu erzählen wir von wunderschöner Natur, von Menschen, die so viel Positives in sich tragen, ihr Hab und Gut mit uns teilen, obwohl es oft nur wenig ist; oder von dem tanzenden Volk, das sich so wunderbar bewegen kann und die Emotionen mit jedem Tanz nur so heraus sprühen.
Ja, tatsächlich hat dieses Land beide Seiten, die erschreckende, aber auch die wunderschöne. Wenn man zum ersten Mal hier in diesem fernen Land ist, erscheint einem alles wie in einem Traum. Mir hat so vieles sofort gefallen, doch ich glaube, viele Sachen habe ich mir schöngeredet, habe mich vielleicht von den Kolumbianern anstecken lassen und mich über das gefreut, was gut ist, doch nach und nach passieren Dinge, die mich wach rütteln, die einem sagen, wo wir sind: in einem Zentrum der Bandenkriege, der Armut und der Gewalt. Manchmal sagen wir, wir sehen alles, aber doch nichts. Wir sind hier und können alles mit eigenen Augen anschauen, aber so vieles passiert hinter den Kulissen, hinter dem Schleier, der uns vorgehalten wird. Gerade in dieser Zeit steigt die Arbeitslosenzahl sehr hoch, weil viele Menschen Jahresverträge haben und die jetzt auslaufen.
Für uns Deutsche ist das alles manchmal sehr schwer zu spüren. Mehrmals wurde nachts an unserer Tür gerüttelt, am Anfang blieb einem noch das Herz stehen, beim dritten oder vierten Mal wartet man nur noch, bis es vorbei ist. Eine von uns wurde schon früh morgens ausgeraubt. Auf den Straßen begegnen einem die hungernden Blicke der Heimatlosen, die auf dem Boden bei den Ameisen liegen und nach Wasser fragen. Diejenigen von uns, die in Siloé, einem der ärmsten Viertel Calis, arbeiten, bekommen noch mehr von der Gewaltrealität mit. Schießereien, Menschen, die mit blutverschmierten Augen verschwinden. Neulich ist wieder ein zwölfjähriges Mädchen aus versehen erschossen worden, es stand zur falschen Zeit am falschen Ort. Ist es normal, dass in einer Woche in einer Stadt von 2,6 Millionen Einwohnern vierunddreißig Menschen ermordet werden? Natürlich nicht, aber hier ist es die Realität, vielleicht sogar die Normalität.
Als ich im ersten Monat gefragt habe, warum ich nicht alleine von meiner Arbeitsstelle zum Jeep laufen darf, mit dem ich nach hause fahre, obwohl es ein Fußweg von zwei Minuten ist, wurde mir so einiges bewusst: Ich arbeite in einem Ort, in dem Auftragsmörder wohnen. Sie sind noch nicht einmal teuer. „Letzte Woche wurde wieder jemand hier ermordet, aber das passiert natürlich nicht immer“, wurde mir erzählt. Und hier sollte ich nun tagtäglich arbeiten? Ja, und nun ist es schon so normal, die Menschen kennen und grüßen mich, die Kinder freuen sich, mich auf der Straße zu sehen, die Mütter lächeln einen dabei an, was sie sonst nicht tun würden, wenn ihre Kinder nicht so vertraut mit mir wären. Ich fühle mich tatsächlich inzwischen sehr wohl hier in Bellavista, dem Ort in dem ich arbeite.
Mit den Kindern meiner Einsatzstelle rede ich viel über ihre Familien. Manchmal überlegen wir, wie die Menschen mit den Gefahren und den Geschehnissen zurecht kommen und inzwischen wissen wir: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, aber er kommt damit nicht zurecht. Doch diejenigen, die an der politischen und sozialen Situation etwas ändern wollen, können es nicht, und die, die etwas ändern könnten, wollen es nicht. Wo sollte man also anfangen? Mit drei Jungs aus meiner Freiwilligengruppe war ich zusammen mit der Einsatzstelle des einen auf einem Ausflug. Es ist eine Fundacion, die sich um Jugendliche und junge Erwachsene kümmert, die nicht mehr zur Schule gehen und keine Zukunftsperspektive mit Arbeit finden können. Davon gibt es viele hier, sehr viele, aber für ein paar von ihnen lassen sich Wege finden, die aus der Zwickmühle zwischen Armut, Kriminalität und Gewalt herausführen. Wir sind mit dem Bus in einen Freizeitpark gefahren, haben dort Fußball und Tischtennis gespielt und sogar baden konnten wir in einem großen Pool. Doch nach einer Busfahrt mit der Gruppe sind mir fast die Ohren abgefallen. Ich denke darüber nach, warum erwachsene Menschen zwischen 20 und 30 Jahren so unglaublich laut sind und ich mich wie auf einer Klassenfahrt nach einer zehnstündigen Busfahrt fühle. Und warum sind die Kinder aus meiner Musikschule so anders, so ruhig und konzentriert, obwohl viele vergleichbare Dinge schon im Kindesalter erlebt haben. Wir können stundenlang ruhig auf einen Auftritt warten oder ein zweistündiges Konzert spielen, ohne, dass jemand anfängt, herumzubrüllen.
Ferienentlassungsfeier im Colegio de las Aguas Montebello
Ich glaube, es ist die Musik, die die Kinder so verändert, die sie so verantwortungsvoll und selbstkontrolliert erscheinen lässt. Dadurch, dass sie Wertschätzung erleben, können sie das anderen gegenüber weitergeben. Das Gefühl, wichtig zu sein, denn in einem Orchester ist jeder unverzichtbar, gibt den Kindern und Jugendlichen so viel Selbstbewusstsein, um für ihre Zukunft zu kämpfen und sie in die eigene Hand zu nehmen. Jemand anderes übernimmt das nicht, denn die Eltern sind selbst dem ständigen Kampf um Arbeit ausgesetzt. Es gehört zur Normalität, dass Kindern die Eltern fehlen, besonders oft bekomme ich zu hören, dass ein Vater nicht mehr da ist. Der Satz eines Lehrers hat es auf den Punkt gebracht: „Die Frauen müssen um die Männer kämpfen, denn es gibt nur wenige von ihnen“. Dabei hat er gelacht. Erst war ich nicht ganz sicher, was er damit meinte, aber schnell wurde mir sehr bewusst, wo all’ die Männer hin sind... Noch nicht lange ist es her, da habe ich mit einer Schülerin geredet, Smalltalk über die Familie. Dass sie ungefähr zwanzig Cousins und Cousinen hat, aber nur eine Tante, machte keinen Sinn, doch dann fiel ihr noch ein, dass sie einmal zwei Onkel hatte, die aber nicht mehr leben. Sie erklärte es mir so: „Drogas“. Was genau dahinter steckt, weiß ich nicht.
Die Kinder aus meiner Fundación sind mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen. Ich habe die Hoffnung, dass aus ihnen andere Menschen werden. Menschen, wie sie es in diesem Moment gerade sind, wenn die Zukunft noch nicht in ihren Händen liegt. Manche träumen davon, Musik zu studieren, andere wollen zur Marine oder Koch werden. Oft hört man, „Ich will studieren“, doch das ist sehr schwierig, wenn man aus armen Verhältnissen stammt. Nur diejenigen, die die besten Abschlusszeugnisse haben, dürfen sich für ein Stipendium bewerben. Doch auch dann muss ein Eigenanteil aufgebracht werden, der für viele nicht möglich zu machen ist. Für den Großteil der Jugendlichen ist es noch unmöglicher zu studieren, weil sie die Schule mit zu schlechten Zeugnissen beendet haben. Doch ich weiß, die Kinder wissen wie man kämpft. Genauso, wie sie für ein Konzert üben müssen, bei dem sie alle ein wichtiger Teil des Gesamtklanges sind, müssen sie für ihre Zukunft kämpfen. Und das haben sie in der Fundación Notas de Paz gelernt. Die Lehrer hier leben es ihnen vor, motivieren sie, zeigen ihnen, wie man etwas erreicht. Und ich bin froh, dass die Kinder von Bellavista das so erleben dürfen, denn in den Schulen sieht es oft schon ganz anders aus.
Das ist aber auch der Grund, warum ich mich oft überflüssig fühle. Das, was ich vermitteln möchte, ist in dieser Fundación schon längst Normalität. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, Eigenverantwortung und ein respektvoller Umgang sind die höchsten Regeln und das ist gut und richtig. Daher sind meine Pläne, nach Weihnachten, wenn die Ferien zu ende sind, mehr im Colegio de las Aguas in Montebello zu arbeiten. Bis dahin werde ich die Ferienbetreuung für die Kinder von Montebello mitgestalten. Die Schule hat ein Interesse daran, den Musikunterricht dort weiter auszubauen. Instrumente werden zum Teil von einer anderen Institution gestellt, die von meinem Dirigenten des Orchesters hier in Bellavista geleitet wird. Vielleicht kann ich das musikalische Fundament, das in Montebello schon vorhanden ist, weiter mit ausbauen, um langsam dort hinzuarbeiten, wo die Kinder der Fundación Notas de Paz schon sind. Montebello ist eines der ärmsten Stadtteile Calis. Eine Familie mit Kindern braucht dort in der Woche umgerechnet circa acht Euro für alles, unvorstellbar aber wahr.
Bisher gibt es schon Gitarren-, Flöten-, Cello-, Trompeten- und Geigenunterricht. Gerade ist eine neue Spende von fünf E-Pianos eingetroffen, die darauf warten, zum Leben erweckt zu werden. Es ist ein Traum, dass sich bald auch dort die Klänge von verschiedenen Instrumenten und Stimmungen mischen. Klaviermusik klingt gerade in diesem Moment in meinen Ohren mit dem Trommeln einer Pauke und den sich immer wieder wiederholenden Töne einer kleinen Geige. Genau diese Pläne und Hoffnungen für Montebello teile ich mit vielen anderen, nur ist der Musikraum noch nicht ganz fertig und an der Ausstattung fehlt es ebenso. Dies ist der Raum, für den auch ihr mitkämpft, indem ihr gespendet habt. Immer wertvoller werden all’ diese Spenden inzwischen, da ich mit eigenen Augen sehen kann, was es bewirkt, Musik mit den Kindern zu machen. Ich bin sehr dankbar, dass so viele Menschen uns vertrauen und es möglich machen, dass wir mehr Raum schaffen, um Montebello zum Klingen bringen.
Musik bedeutet Frieden und Zusammenhalt, eigene Stärke und Harmonie, die Welt der Klänge bietet Raum für Umgänglichkeit und gegenseitige Hilfe statt dem Kampf um die eigene Person, um das eigene Überleben und das eigene Leben.

Montag, 24. November 2014

Geburtstagswünsche...

Es ist Mittagspause. Gleich nebenan gibt es einen kleinen Imbissladen, in dem es ziemlich typisch kolumbianisches Essen gibt. Reis Fleisch, Linsen und Salat, als Vorspeise Suppe mit gestampftem Mais. Auch die Platanochips (frittierte, salzige Bananen) fehlen zum Glück nicht, denn die mag ich besonders. Zum trinken wird Agua Panela serviert, Wasser mit Limettensaft und Rohrzucker, denn das wächst hier außerhalb von Cali in großen Mengen.
Plötzlich höre ich ein leises, zartes Stimmchen sprechen. „Hola Sofi“. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das Mädchen schon einmal gesehen habe, aber sie weiß meinen Namen, vielleicht geht sie auf die Schule in Bellavista, dem Ort, in dem ich arbeite. Diese Schule hatte ich mir für zwei Tage angeschaut, um nach einer weiteren Arbeitsstelle zu suchen.
Ich frage sie, was sie hier macht und wundere mich kaum, dass sie mir erzählt, dass sie ihrer Mutter helfe, die für mich kurz vorher das Essen zubereitet hat. Ihre große Schwester auch. Wir reden über die Ferien, die ab morgen anstehen und ich frage mich, was sie wohl die ganze Zeit allein machen würde. Wahrscheinlich das, was sie gerade in diesem Moment macht: warten, bis die Zeit vergeht. Ihre Augen fangen an zu leuchten und voller Stolz erzählt sie mir, dass sie mit ihrer Mutter und ihren beiden großen Schwestern ins Schwimmbad fahren wird. Ich frage sie, wo es eines gibt, aber das kann sie mir nicht sagen, denn vermutlich hat sie außer diesem Stadtteil noch fast keinen anderen Teil von Cali gesehen, wie viele Kinder hier in Bellavista.
Wir nehmen uns vor, dass ich öfter bei ihr vorbeikommen werde, damit wir gemeinsam Englisch üben können. Schon gleich fangen wir mit den Farben auf englisch an und probieren es dann mit den Tieren, aber mein Wortschatz ist nicht für die tropische Tierwelt ausreichend.
Ihre großen, dunklen und wunderschönen Augen schauen mich an, ganz schüchtern. Sie will mir was sagen: „Ich habe morgen Geburtstag!“. Neun Jahre alt wird sie. Sie fragt mich, ob ich sie besuchen kommen werde, um mir ihrer Mutter und den beiden Schwestern beisammen zu sein. Ich erschrecke mich, dass es mich kaum mehr überrascht, dass ein Papa wohl nicht mitfeiern wird.
Ich frage natürlich nicht danach, aber was ich wissen will ist, was sich diesen Mädchen wohl wünscht. Ich denke an meine Kindheit, an die Wunschlisten, die meine Freunde zu jedem Geburtstag und zu jedem Weihnachtsfest geschrieben haben. Ein Ponyhof von Playmobil, Puppenbetten, eine elektrische Eisenbahn oder ein Fußball. Ich weiß, dass ihr Wunschzettel anders aussehen würde, aber ich kann meinen Ohren nicht trauen, als ich höre, dass sie sich einen Termin beim Zahnarzt wünscht...

Sonntag, 16. November 2014

Unser Ausflug nach La Buitrera und wenn einem mal wieder die Haare um die Ohren fliegen...

Wenn ihr euch nun fragt, warum mein Blogeintrag schon wieder damit anfängt, dass die Woche einfach nur frustrierend war, weil ich von Montag an mit einer Sehnenscheidenentzündung zuhause saß, anstatt zu arbeiten, dann könnt ihr euch nicht vorstellen, wie schön sie geendet hat. Aus unserem geplanten Ausflug in die Tatacoawüste wurde natürlich nichts, weil ich nicht laufen konnte, jedoch noch weniger mit den Krücken, mit denen ich aussah, wie ein Kriegsveteran. Irgendwie gibt es hier noch nicht solche, die es bei euch in Deutschland gibt, sodass ich schnell wieder auf sie verzichtete.
Eigentlich wollte ich diese Woche dafür sorgen, dass ich vormittags nach Montebello in das Colegio de las Aguas (die Schule, die von meiner Organisation gegründet wurde) darf, weil ich von 8:00 bis 14:00 fast nie etwas in meiner Fundación Notas de Paz zu tun habe. Aber so saß ich eine ganze Arbeitswoche hier zuhause und habe mich geärgert, dass ich letzten Freitag Fußball gespielt habe. Aber alles kann sich so schnell ändern, besonders hier in Kolumbien, wo aus jeder fetten Gewitterwolke plötzlich die Sonne herausbricht und einem eine wunderschöne Überraschung bereitet.
Ornella und Luz (Janas Nachbarin)
Jana hat uns zu sich nach Hause nach La Buitrera in ihre kleine Wohnung eingeladen, wo sie die Woche über mit Laura wohnt, weil sie in einem Dorf weit außerhalb von Cali in einer Schule arbeitet. Zu sechst (Ornella, Jana, Nora, Charlotte, Daria und ich) haben wir uns in zwei Betten gequetscht, aber haben den Abend so wunderbar an einem Pool genossen, der direkt neben ihrer Wohnung ist. Als ich von einem Einkauf wiederkam, saßen alle mit einer Mango in der Hand am Rand. Das ist Kolumbien, das ist das Leben hier, wo der Mangobaum direkt vor der Tür steht und einem das Leben wortwörtlich versüßt.
Heute hatten wir geplant, in das Dorf zu fahren, in dem Susi in dem Kinderheim Oscar Scarpetta arbeitet und in dem es viele Pferde zum reiten geben sollte. Tatsächlich landeten wir auf einer wunderschönen Ranch, wo es Pferde, Hunde, Gänse und Hühner gab. Ein bisschen war es wie im Film, aber alles änderte sich, sobald ich auf dem einen Pferd saß, was wir uns für diesen Tag teilen mussten, weil wir uns nicht vorher angemeldet hatten.
Nora hatte vorher noch gefragt, ob dies nun ein Caballo tranquilo (ruhiges Pferd), oder eben ein nicht so ruhiges sei. Jaja, muy tranquilo, war die Antwort des netten Herren, der uns besonders freundlich auf seiner Ranch begrüßt hatte. Doch sobald ich oben saß, natürlich ohne Helm, war ich mir sicher, das würde kein entspannter Ritt werden. Aber ich saß oben und das war ein perfektes Gefühl, ich durfte seit vielen Jahren mal wieder reiten und als ich das zweite mal auf dem Pferdchen saß, ging es erst richtig los. Die Haare flogen mir um die Ohren, als ich im schnelle Galopp den Zaun und den Baum auf mich zufliegen sah. Doch so anstrengend es war, es war einfach unbeschreiblich schön. Mein Freundchen machte, was es wollte, aber so langsam holte ich mein Reitwissen wieder hervor und immer mehr hatte es mit Reiten zu tun, anstatt mit dem „oben auf dem Pferd bleiben“.
Der Tag war so perfekt, dass er gar nicht besser hätte sein können. Ein riesen Dankeschön an meine Big-Colombia-familia!

Unser erster Urlaub am Pacífico (31.10.-3.11)

Wenn man bedenkt, dass unsere Busfahrt nach Buenaventura eigentlich zwei Stunden dauern sollte und nicht fünf, weil wir mitten in den Bergen im Stau standen, oder die Bootsfahrt auf unsere Trauminsel anderthalb Stunden später losging als geplant und wir nach fünf Minuten schon wieder umgedreht sind, weil das Böötchen überladen war, oder unser Hotel statt aus weichen Betten und einer gemütlichen Wohnung aus einer steinharten Holzpritsche, und die Hütte nur aus Wellblech bestand, könnte man meinen, der Urlaub am Pazifik sei vielleicht nur ein Abenteuer, aber keine Erholung gewesen.
Doch dann stelle Dir vor, du stehst direkt an der Küste des Pazifiks im Sonnenuntergang und beobachtest wunderschöne, bunte Vögel mit langen, bunten Schnäbeln, die in den Palmen nach Futter suchen und plötzlich kommt der Mann vom „Hotel“, um uns mit extra für uns gepflückten Kokosnüssen zu überraschen. Er macht sie uns mit der Majete zurecht und dann stehen wir da, trinken unsere Kokosnüsse, schauen uns das wilde Meer an und sehen seit langem mal wieder einen Sonnenuntergang am Horizont. Rot, orangene Farben spiegeln sich in den Wellen wieder, es hat etwas beruhigendes, entspanntes , erholsames, aber es schwingt auch das Gefühl von Unsicherheit mit. Die Wellen schlagen gegen die Felsen und die Brandung rauscht laut.

Luis, Ornella, Erica, Nora, Luis, Jana, Alicia, Sophia
Doch wir haben natürlich auch viel erlebt, so viel, dass ich wohl gar nicht alles hier erzählen kann. Am Freitag nach unserer Ankunft haben wir fünf uns, Ornella, Jana, Nora und unser kolumbianischer Freund Luis, auf den Weg zu einem Strand gemacht, diesmal zu Fuß und nicht mit einer Art Auto, das auch ein Abenteuer für sich ist. Wir haben gebadet, bis es dunkel wurde und einfach mal die Stille genossen, die es so in Cali nie gibt. Am Samstag haben wir dann eine Kajakfahrt gemacht. Es ging am Ufer des Pazifiks entlang, manchmal haben wir Pausen in kleinen Buchten gemacht, in denen es kleine Wasserfälle gibt oder sind einfach mitsamt Schwimmweste ins Wasser gesprungen.
Auf dem Rückweg sind wir noch in einen Fluss hinein gepaddelt, mitten in den Urwald rein. Wir haben ein Faultier gesehen, das sein Junges im Arm hielt und mit ihm ganz langsam und leise den Baumstamm hochgeklettert ist, in der Hoffnung, wir würden es nicht sehen. Auch haben wir noch ein Leguan gesehen, ein quitschgrünes Reptil, das auf einem Ast saß. Was dann kam, war für uns alle erst mal sehr erschreckend, aber irgendwann nur noch lustig. Unsere Guide, der mit uns gekommen ist, hat sich auf sein Kajak gestellt und wollte tatsächlich den Leguan fangen. Mit einem Hechtsprung landete er über Kopf im Wasser, aber das Tierchen war natürlich schneller. So ging das eine ganze Weile, leider ohne Erfolg.
Nach einem weiteren Urwaldbad ging es dann wieder nach Hause. Und nochmal haben wir gebadet, denn es war ein unglaublich heißer Tag, aber Luis meinte, es sei kein guter Ort, um zu baden, denn es gibt Strömungen und oft passieren hier schlimme Unfälle.

Alicia, Amanda, Sophia, Erica, Luis,Ornella, Luis, Jana




Am nächsten Tag wollten wir uns gerade auf den Weg zu einem Ausflug mit einem Boot auf eine andere Insel machen, denn da gibt es einen großen Wasserfall, wo es sehr schön ist. Die Frau vom Hotel hat gefragt, was wir denn heute vorhätten, und als wir ihr von unseren Plänen erzählten meinte sie, dass sie selber dort noch nie gewesen seien. Wir luden sie und ihre drei Kinder Luis, Alicia und Erica ein, mitzukommen und das war eine Idee, die wir nie bereuen würden. 
Wir badeten mitten an einem riesigen Wasserfall im Urwald und verbrachten den ganzen Abend bei der Familie, um mit ihnen zu feiern, denn es war ein ganz besonderer Tag: Ornellas Geburtstag! Wir erlebten Kolumbien von einer ganz anderen Seite. Erica und Amanda, die Mutter, sangen Lieder im Stil der Musica Pacífica, die einen ganz anderen Rhythmus hat als der Calienkische Salsarhythmus,. Die Menschen sind sehr gläubig hier, sodass Amanda ein langes, sehr inniges Gebet für Ornella gesprochen hat. Ein Geschenk, dass wir das kennenlernen durften, auch, wenn es fast ein bisschen missionarisch für uns war. Aber auch das gehört hier zu diesem komplett abgeschiedenen, vergessenen Leben. Ob die Halbinsulaner wohl schon mal ein anderes Leben außerhalb von diesem verträumten und doch so wunderschönen Ort gesehen haben?
Für mich war es bisher der aufregendste, erholsamste und beeindruckendste Urlaub, den ich seit langem erleben durfte. Besonders mit meinen Zimmerschwestern und Luis, die mir alle so schrecklich ans Herz gewachsen sind und die ich schon vermisse, wenn sie einen Tag mal nicht da sind. Danke.