Es ist Mittagspause. Gleich nebenan
gibt es einen kleinen Imbissladen, in dem es ziemlich typisch
kolumbianisches Essen gibt. Reis Fleisch, Linsen und Salat, als
Vorspeise Suppe mit gestampftem Mais. Auch die Platanochips
(frittierte, salzige Bananen) fehlen zum Glück nicht, denn die mag
ich besonders. Zum trinken wird Agua Panela serviert, Wasser mit
Limettensaft und Rohrzucker, denn das wächst hier außerhalb von
Cali in großen Mengen.
Plötzlich höre ich ein leises, zartes
Stimmchen sprechen. „Hola Sofi“. Ich kann mich nicht erinnern,
dass ich das Mädchen schon einmal gesehen habe, aber sie weiß
meinen Namen, vielleicht geht sie auf die Schule in Bellavista, dem
Ort, in dem ich arbeite. Diese Schule hatte ich mir für zwei Tage
angeschaut, um nach einer weiteren Arbeitsstelle zu suchen.
Ich frage sie, was sie hier macht und
wundere mich kaum, dass sie mir erzählt, dass sie ihrer Mutter
helfe, die für mich kurz vorher das Essen zubereitet hat. Ihre große
Schwester auch. Wir reden über die Ferien, die ab morgen anstehen
und ich frage mich, was sie wohl die ganze Zeit allein machen würde.
Wahrscheinlich das, was sie gerade in diesem Moment macht: warten,
bis die Zeit vergeht. Ihre Augen fangen an zu leuchten und voller
Stolz erzählt sie mir, dass sie mit ihrer Mutter und ihren beiden
großen Schwestern ins Schwimmbad fahren wird. Ich frage sie, wo es
eines gibt, aber das kann sie mir nicht sagen, denn vermutlich hat
sie außer diesem Stadtteil noch fast keinen anderen Teil von Cali
gesehen, wie viele Kinder hier in Bellavista.
Wir nehmen uns vor, dass ich öfter bei
ihr vorbeikommen werde, damit wir gemeinsam Englisch üben können.
Schon gleich fangen wir mit den Farben auf englisch an und probieren
es dann mit den Tieren, aber mein Wortschatz ist nicht für die
tropische Tierwelt ausreichend.
Ihre großen, dunklen und wunderschönen
Augen schauen mich an, ganz schüchtern. Sie will mir was sagen: „Ich
habe morgen Geburtstag!“. Neun Jahre alt wird sie. Sie fragt mich,
ob ich sie besuchen kommen werde, um mir ihrer Mutter und den beiden
Schwestern beisammen zu sein. Ich erschrecke mich, dass es mich kaum
mehr überrascht, dass ein Papa wohl nicht mitfeiern wird.
Ich frage natürlich nicht danach, aber
was ich wissen will ist, was sich diesen Mädchen wohl wünscht. Ich
denke an meine Kindheit, an die Wunschlisten, die meine Freunde zu
jedem Geburtstag und zu jedem Weihnachtsfest geschrieben haben. Ein
Ponyhof von Playmobil, Puppenbetten, eine elektrische Eisenbahn oder
ein Fußball. Ich weiß, dass ihr Wunschzettel anders aussehen würde,
aber ich kann meinen Ohren nicht trauen, als ich höre, dass sie sich
einen Termin beim Zahnarzt wünscht...
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